Ich sitze auf meinem Bett, die Sonne strahlt durch die 4 Fenster um mich herum auf den Holzfußboden und wärmt den Raum auf eine angenehme Art. Wenn ich meinen Blick hebe und in das Sonnenlicht schaue, sehe ich kleine Staubkörner umherfliegen, sie sehen aus, als hätten sie einen Tanz einstudiert.
Der Raum ist nicht groß, 20 Quadratmeter Platz habe ich um mich herum und doch ist das mehr, als viele andere Menschen gerade während der immer schnelleren Ausbreitung des Coronavirus haben. Hier werde ich die nächsten Tage, Wochen, Monate verbringen, denke ich mir und fühle mich dabei privilegiert. Privilegiert, weil ich einen Raum für mich allein habe, mich zurückziehen kann und gesund bin.
Vor ein paar Tagen saßen wir noch im Park und haben die Sonne genossen.
Und doch fühlt sich meine Freiheit eingeschränkt an. In den nächsten Stunden werde ich zwischen meinem Bett, dem großen Sessel mit den Zeitungen, dem Schreibtisch auf dem mein Laptop bereit zum arbeiten steht, dem Klavier und der ausgerollten Yoga-Matte auf dem warmen Holzfußboden hin und her wandern. In einigen Städten wurden Ausgangssperren verhängt, ich bleibe freiwillig zu Hause, um niemandem einem unnötigen Risiko auszusetzen.


Noch vor ein paar Tagen hat sich das alles sehr lustig, fast schon befreiend angefühlt. Ja, endlich dürfen wir zu Hause bleiben, brüllten auf einmal alle und haben die Situation um den Coronavirus unterschätzt. Ich brauchte diese Tage selbst, um alles zu verstehen, mich zu informieren, und vor allem um das gesamte Chaos in mir zu sortieren.
Die Wucht aus immer neuen negativen Nachrichten, Freund*innen deren Existenzen wirtschaftlich bedroht sind, Ausgangssperren, die steigende Anzahl der Infizierten und Toten, die egoistischen und sinnlosen Hamsterkäufe vieler Menschen, alles musste ich erst einmal sacken lassen. In mir hat sich eine Ungewissheit breitgemacht, vor der ich Angst bekomme.
Wie schaffe ich es jetzt, mich nicht einsam zu fühlen?
Ich schreibe hier von meiner privilegierten Position, weil ich gerade weder in Risikobereichen arbeiten muss, noch andere Einschränken zu spüren bekomme. Außer die Füße in meinen 20 Quadratmetern stillzuhalten. Und doch stelle ich mir wie viele andere von uns gerade die Frage, wie mir zu Hause die Decke nicht auf den Kopf fällt.
Was mache ich mit meiner freien Zeit? Wie gehe ich damit um, wenn Freund*innen und soziale Kontakte wegfallen? Wie kann ich mich vor der Einsamkeit schützen? Und vor allem: Wie lang wird dieser Zustand noch andauern?


Das hier wird kein Artikel über die Antworten auf diese Fragen, denn die habe ich leider selbst noch nicht gefunden (und werde sehr vielleicht auch nie finden). Aber ich habe mir viele Gedanken darum gemacht, wie ich die nächsten Tage, Wochen, Monate mit mir selbst umgehen möchte und wie ich für mich die leeren Stunden füllen könnte. Ich bin sehr anfällig dafür, mich einsam zu fühlen und finde nur schwer die Motivation Dinge einfach zu beginnen. In manchen Momenten fühle ich mich erschlagen von den sozialen Medien, in denen sich alle gerade selbst darin übertreffen zu Hause coole Sachen endlich anzupacken – und in manchen Momenten motivieren mich diese Geschichten umso mehr.
Ich werde Dinge tun, auf die ich gerade Lust habe.
Als erstes habe ich deshalb beschlossen den Begriff Quarantäne aus meinem Kopf zu streichen. Ich habe gerade die Möglichkeit bekommen mich in meinen 20 Quadratmetern besser kennenzulernen, meine Prioritäten neu zu setzen und endlich einmal wieder runterzufahren. In den nächsten Tagen kann ich mich mit mir selbst auseinandersetzen, meine Zeit frei einteilen und das Wichtigste: Dinge tun, auf die ich gerade Lust habe.
Mit diesen Worten habe ich mich an meinen Schreibtisch gesetzt, über die vergangenen Monate nachgedacht und eine Liste geschrieben. Eine einfache Liste, die sich natürlich jederzeit überarbeiten lässt und mir jeden Tag aufzeigen soll, was ich in nächster Zeit für mich erreichen möchte.

An diesen Tagen, an denen man keinen richtigen Grund zum aufstehen und keinen Zweck für sein eigenes Dasein sieht, erscheint mir Struktur ein maßgebliches Hilfsmittel zu sein. Ich stehe also jetzt jeden Morgen auf, koche einen Kaffee, schreibe kurz darüber worauf ich heute Lust habe und versuche langfristige Ziele zu verfolgen. Kurz zusammengefasst mache ich nicht mehr, als Punkte von meiner To-Do Liste abzuhaken (es gibt nichts befriedigenderes), regelmäßig mit Freund*innen zu telefonieren, um mich nicht einsam zu fühlen und feste Mahlzeiten zu mir zu nehmen.
Struktur bedeutet ein Stück Sicherheit
Für den Moment fühlt sich das alles sehr gut an: Runterkommen, Zeit für mich haben, reflektieren, und Punkte abarbeiten. Ich erkenne bei mir selbst den bloßen Schutzinstinkt meinen Alltag so gut wie möglich anzupassen und aufrecht zu erhalten, um Panik oder Angst noch ein paar Stunden länger von mir wegzuschieben. Eine Strategie die gut funktioniert, bis ich Zeitungen aufschlage, Nachrichten lese oder das abendliche Statement von Christian Drosten höre. Dann versuche ich die Sonne auf dem Fensterbrett meiner 20 Quadratmeter zu genießen, wandere zwischen dem Bett, dem großen Sessel mit den Zeitungen, dem Schreibtisch auf dem mein Laptop steht, dem Klavier und der ausgerollten Yoga-Matte auf dem warmen Holzfußboden hin und her, denn Struktur bedeutet für mich auch immer ein Stück Sicherheit.


Lilli (@leilei_de_lemon)
Kamera: Canon EOS 5D Mark IV
Objektiv: 35mm f/2 und 50mm f/1.4





