Eins der größten Vorurteile in der Fotografie ist für mich die Aussage, dass man nur mit teurem Equipment gute Bilder machen kann. Wahlweise braucht man dafür dann wohl die hochwertigste Kamera, eine breite Auswahl an Objektiven und am besten noch ein einiges Studio.
Wenn ich mich dann an meine eigenen Anfänge erinnere, muss ich direkt schmunzeln. Ich glaube für mein erstes Selbstportraitshooting (falls man das überhaupt ein „Shooting“ nennen kann), habe ich mein altes und sehr kleines Smartphone einfach mit einem Haargummi am Ast eines Baumes befestigt. Und natürlich habe ich mich weiterentwickelt und besitze jetzt eine gute Kamera – aber warum sollte es ein Hindernis sein mit dem Fotografieren anzufangen, wenn man nur sein Handy oder die alte Kamera seiner Mitbewohnerin zur Verfügung hat? In diesem Beitrag möchte ich dir zeigen, wie wichtig es ist einfach anzufangen.
Für mich sind Selbstportraits immer noch der wichtigste Bestandteil meiner Arbeiten.
Durch Selbstportraits kann ich neue Dinge oder Techniken ausprobieren und mir dabei Zeit lassen. Die meisten Models sind natürlich sehr geduldig. Ich fange aber sehr schnell an mir selber Stress zu machen, wenn etwas nicht sofort funktioniert. Während der Selbstportraits bin wirklich nur ich im Raum, niemand urteilt in diesen Momenten darüber, was ich gerade mache.
Oft habe ich auch Ideen im Kopf herumschwirren, die ich sofort umsetzen möchte. Manchmal hilft es sehr, nicht extra auf ein Model zu warten, sondern direkt damit anzufangen. Indem ich selbst oft für meine Selbstportraits vor der Kamera stehe, kann ich mich außerdem besser in die Menschen hineinversetzen, die ich später fotografieren möchte. Ich weiß, wie es sich anfühlt auf beiden Seiten der Kamera zu stehen.


Abgesehen von diesen Dingen, macht es mir unglaublich viel Spaß den Prozess der Selbstportraits zu durchlaufen. Wie verändert sich mein Körper über das Jahr? Wie verändert sich meine Fotografie? Selbstportraits können bei der Selbstreflexion helfen und geben mir persönlich immer wieder sehr viel Selbstvertrauen. Sie sind also nicht nur ein perfekter Einstieg in die Fotografie, sondern können auch Teil der eigenen Weiterentwicklung sein.
Wie entstehen meine Selbstportraits?
1. Die Idee
Manchmal habe ich direkt eine Idee im Kopf die ich umsetzen möchte. An anderen Tagen bekomme ich einfach sehr viel Lust zu fotografieren und die Inspiration entsteht während des Prozesses. Für den Anfang kann es jedoch helfen kurze Skizzen zu zeichnen, ein Moodboard (z.B. auf Pinterest) zu erstellen und sich ein kleines Konzept zu überlegen. An welchem Ort möchte ich fotografieren, welche Aussage sollen meine Bilder vermitteln, möchte ich Requisiten nutzen?

2. Der Aufbau
Für mich ist der Umbau meines Zimmers Teil des Rituals geworden. Ich räume mein Bett zur Zeit, schiebe den Schrank in eine andere Ecke, hänge die Bilderrahmen von der Wand und habe dann eine große weiße Wand direkt am Fenster. Dabei habe ich viel Glück, denn mein Zimmer hat 4 Fenster, wodurch dauerhaft viel Tageslicht hereinscheint. Schau dich vielleicht einfach einmal genauer in deinen Räumen um. Wo gibt es Licht, wo gibt es Schatten? Wie kannst du die Gegebenheiten für deine Bilder nutzen?
Dann baue ich meine Kamera auf das Stativ. Am Ende des Beitrags habe ich mein Equipment verlinkt, aber es braucht auf keinen Fall so viel! Man kann das Handy oder die Kamera zum Beispiel auf einen Stuhl oder einen Bücherstapel stellen. Ich habe gelernt, wie kreativ ich werde, wenn ich „Notlösungen“ finden muss. Das ist für mich auch ein Teil der Selbstportraits und ich habe immer wieder sehr viel Spaß daran, neue Dinge auszuprobieren.


3. Fotografieren
Egal ob du die Kamera über WLAN mit deinem Handy verbinden kannst, einen Selbstauslöser hast oder manuell auslöst: Wichtig ist es immer wieder den Fokus anzupassen. Bist du noch scharf oder stiehlt dir die Pflanze neben dir gerade die Show?
Ich setze meinen Fokus immer einmal richtig, mache dann 10-15 Bilder von einem Ausschnitt und versuche dann die Kamera wieder ein Stück zu bewegen. Dadurch vermeide ich es, am Ende nur einmal den gleichen Bildausschnitt zu haben. Das macht eine Fotoserie spannender.
Während des Fotografierens habe ich immer gute Musik an, denn die hilft mir dabei loszulassen. Ich lasse mich quasi einfach treiben, versuche meinen Körper die Bewegungen zu schenken, die er gerade braucht (ein bisschen wie beim Yoga!), tanze und vergesse dabei oft die Kamera. Natürlich habe ich dadurch sehr viele Bilder die ich direkt wieder löschen kann, aber ich möchte natürliche Momente einfangen und vermeide damit gestellte Posen.
Hier kommst du zu meiner Playlist:


4. Bearbeitung
Am spannendsten wird dann immer der Blick auf die fertigen Bilder. Zum Ritual meiner Selbstportraits gehört für mich Ruhe und ein Glas Wein. Manchmal kann es schwer sein, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und Ehrlichkeit in den entstandenen Bildern zu finden. Bei den Selbstportraits sehe ich am Ende nicht nur meine schönen Seiten, sondern auch immer wieder Perspektiven in denen ich mich unwohl fühle. Es braucht Zeit sich selbst auch auf diesen Bilder zu akzeptieren.
Wann stelle ich mich während des Fotografieren dar, wie ich wahrgenommen werden möchte und wann bin ich wirklich ich? Das ist nur eine der Fragen, die mir immer wieder in den Kopf schießen – worüber ich aber gern in einem anderen Beitrag schreiben möchte. Viel öfter überkommt mich ein richtiges Glücksgefühl, wenn ich die Bilder am Ende betrachte. Weil ich weiß, dass ich sie ganz allein erstellt habe.


Wie du deine Selbstportraits am besten fotografierst und welche Umgebung du dafür schaffen solltest, kann ich dir natürlich nicht verraten. Vielleicht ergeben meine Tipps für dich überhaupt keinen Sinn und du würdest ein Shooting komplett anders angehen. Deshalb möchte ich dich mit diesem Beitrag einfach motivieren damit anzufangen. Es braucht weder eine teure Kamera, noch ein tolles Studio. Jeder von uns hat einmal angefangen und jeder von uns hat sich danach weiterentwickelt. Aber wie möchtest du dich weiterentwickeln, wenn du nicht anfängst?